Zum Geburtstag die 1 vorneweg – und dann
zwei Nullen
Winfried Schwarzbach Wenn
Jemand oder Etwas einen so runden Geburtstag begehen kann, so ist das in unserer
sich immer (scheinbar) schneller drehenden Welt schon mal nicht schlecht. Es ist
ein Zeichen dafür, dass man noch gut in Schuß ist, und was noch wichtiger wäre,
man noch gebraucht wird.
Unsere diesjährige Jubilarin macht da keine
Ausnahme, vor allen, da sie gerade eine Verjüngungskur erfolgreich hinter sich
gebracht hat.
Aber zuerst noch ein kurzer Abriß ihrer Lebensgeschichte, das
gehört sich so zu so einem Anlaß!
Zu der Zeit, als der Erste Weltkrieg sich
seinem Ende zuneigte, wurde der Maschinenbau-Gesellschaft Karlsruhe (MGK) der
Auftrag zum Bau einer kleinen Serie von Mallet-Lokomotiven erteilt. Der
Hintergrund dazu war die völlige Auslastung der hinter der Front in Frankreich
auf einem Meterspur-Streckennetz fahrenden älteren Lokomotiven. Diese Strecken
rund um Verdun und Montmedy hatten im Verlaufe des Kriegsgeschehens mit
steigenden Zuglasten zu kämpfen. Dazu waren bei Kriegsausbruch aus dem Harz
schon drei Mallets der GHE (Gernrode-Harzgeroder Eisenbahn) sowie sechs der NWE
(Nordhausen-Wernigeroder Eisenbahn) „kriegsdienstverpflichtet“, wurden. Diese
und andere dort eingesetzte Loks aus Deutschland waren bis zur Leistungsgrenze
beansprucht.
Das Angebot, welches die MGK für die Ausschreibung benutzte, war
ein älterer Entwurf, der zum Bau von vier Loks für die Albtalbahn 20 Jahre zuvor
angefertigt wurde. Es wurden lediglich der Kohlevorrat, die Rostfläche und der
Achsstand vergrößert. Im Gegensatz zu den Jung-Lokomotiven z.B. der NWE wurde
auf Grund der etwas höheren Kessellage für das Hochdruck-Triebwerk ebenfalls ein
Innen-rahmen vorgesehen. Für das französische Lichtraumprofil wurde das
Führerhaus etwas verkleinert.
Ende 1917 wurde der Entwurf genehmigt und der
Auftrag für sieben B’B-n4vt-Loks erteilt. Unsere spätere Lok erhielt die
Fabriknummer 2052 und wurde am 21.08.1918 an den Eisenbahn-Ersatzpark in
Berlin-Schöneberg ausgeliefert. Die anderen sechs Loks wurden wahrscheinlich zur
gleichen Zeit ausgeliefert. Die Heeresprüfkommission erteilte die Nummern HK 94
bis 100, die heutige 99 5906 erhielt die HK 96.
Foto (Winfried Schwarzbach): Das Fabrikschild der 99
5906
Auf Grund der Kriegssituation erreichten die Loks aber ihre
Bestimmungsbahn in Frankreich nicht mehr. Nach dem Waffenstillstand wurde die
Demobilisierung des deutschen Heeres durchgeführt, die Einheiten aufgelöst und
vorhandenes Material möglichst einer zivilen Nutzung zugeführt. Dafür war das
Reichsverwertungsamt zuständig, welches die Loks an deutsche Schmalspurbahnen
verkaufte, da man die 1914 „eingezogenen“ Loks bisher nicht ersetzen konnte. So
gelangten sie zur Euskirchener Kleinbahn, zur Kleinbahn
Hagen-Voerde-Breckerfeld, der Albtalbahn und Ruhr-Lippe-Kleinbahn. Die
Fabriknummer 2052 als HK 96 gelangte 1920 zur damaligen NWE und wurde als Nummer
41 in Zweitbesetzung eingereiht.
Dort ergänzte sie ab dem 20. Mai 1920 den
nun schon über 20 Jahre alten Park der Streckenloks, denen man Alter und
Kriegszeit mit mangelnder Pflege und starken Belastungen schon anmerkte.
Hauptsächlich auf der Harzquerbahn wurde sie im Personen-und Güterverkehr
eingesetzt. Da sie eine etwas geringere Leistung als ihre Jung-Schwestern hatte,
wurde auf bestimmten Streckenabschnitten die Zuglast um 15 t herabgesetzt.
Nach dem Hochwasser im Südharz im Januar 1948 wurde die Lok nach Nordhausen
umgesetzt. Dort wurde sie im Inselbetrieb mit Lok 21 zwischen Nordhausen Nord
und Ilfeld Umsteigestelle (etwa der heutige Haltepunkt Ilfeld Bad, früher
Talbrauerei) eingesetzt. Bei diesem Hochwasser wurde die alte Berebrücke im km
13 zerstört und bis 31.12.1949 mußte ein Umsteigeverkehr für Personen gefahren
werden. Bis 1950 war sie dabei in Nordhausen stationiert.
Danach ging es
zurück nach Wernigerode, bis durch den Einsatz der Neubaulokomotiven die
Mallet-Loks ins Selketal abgegeben wurden, wobei die nun unter der Deutschen
Reichsbahn als 99 5906 bezeichnete Maschine ab 1956 dort im Einsatz war.
Als
der Wagenpark auf Druckluftbremse umgerüstet war, gab es keine Arbeit mehr für
unsere Lok. 1990 rollte sie nach Wernigerode.
Es folgte ein Verkauf an den
Deutschen Eisenbahnverein Bruchhausen-Vilsen (DEV), die „Ausführung“ aus dem
Harz wurde aber durch die Denkmalsschutzbehörde untersagt. 1993 gelangte sie zur
HSB.
1995 erfolgte der Umbau auf Druckluftbremse sowie eine Aufarbeitung und
nachfolgend der Einsatz hauptsächlich im Selketal.
Foto (Winfried Schwarzbach): Mit dem Museumsexpress
der HSB in Silberhütte (Anhalt) am 23.08.2014.
Von April 2016 bis Januar 2018 erfolgte eine Untersuchung nach § 32 ESBO
(landläufig „Hauptunter-suchung“ genannt) im Dampflokwerk Meiningen, wobei auch
Triebwerksschäden repariert wurden. Ebenso wurden alle Dampfzylinder erneuert.
Foto (Bernd Peper):Nach der Demontage der 99 5906 in
Meiningen bot sich dieser Anblick – auch die seitlichen
Wasservorratsbehälter hatten eine Aufarbeitung dringend nötig…
Erhalten geblieben ist auch die Fabriknummer 2051 bzw. HK 51, die zur Kleinbahn
Hagen – Haspe – Voerde - Breckerfeld gelangte. Als diese Strecke elektrifiziert
wurde, verkaufte man die Lok in den Süden Deutschlands zur Süddeutschen
Eisenbahngesellschaft (SDEG), wo sie auf der Strecke Zell - Todtnau als Lok 105
in Dienst gestellt wurde.
Diese Bahn wurde 1967 stillgelegt und im Mai 1968
erwarb die Museumsbahn Blonay - Chamby die Lok und setzte sie bis Ende 1969 ein.
1998 wurde sie hauptuntersucht und wieder in Betrieb genommen. 1999 und 2012 war
sie als Gastlok im Harz im Einsatz vor Sonderzügen, natürlich auch mit ihrer
Schwesterlok 99 5906.
Foto (Winfried Schwarzbach): Am 11.08.2012 warteten
beide MGK-Loks auf den Einstieg der Fotografen bei einer Sonderfahrt nach einem
Fotohalt.
Wünschen wir unserer Jubilarin
mindestens für die nächsten acht Jahre viele schöne unfallfreie Fahrten im Harz!
Quellen: D. Endisch; Mallet-Lokomotiven des Harzes, 2005
L. Kenning, M.
Kopfmann; Schmalspurbahn Zell - Todtnau, Verlag Kenning Nordhorn 2003