Unterwegs mit einer Pferdestärke
Jürgen Hecht Was haben die pferdegetriebene Museumsbahn von
Spiekeroog und die HSB gemeinsam? Gibt es da etwas? Beide haben die Spurweite
1000 mm, dann trennen sich die Welten.
In unserem Urlaub besuchten meine
Frau und ich die Insel Spiekeroog, auf der sich seit 1981 eine Museumseisenbahn
befindet, die von April bis Oktober in Betrieb ist. Einst war das Netz
weitläufig ausgebaut und brachte die Urlauber vom Hafen an viele Orte der Insel.
Heute sieht das ca. 1.300 Meter lange Gleis auf den ersten Blick etwas marode
aus und der offene Pferdebahnwagen von 1886 mit 16 Sitzplätzen bringt ohne
Fahrgäste nur eine Tonne auf die Waage, außerdem wird der Gleiskörper regelmäßig
vom Hochwasser erfaßt.
Foto (Jürgen Hecht): Das Deichtor der Pferdebahn, bei
Hochwasser werden die Gleise im Hafengelände
regelmäßig überflutet.
Die Wagen werden von sogenannten Tinkern gezogen. Diese gutmütigen und
robusten Pferde wurden ab Anfang 1900 gezüchtet. Dabei handelt es sich um die
Arbeitstiere fahrender Kesselflicker (englisch = Tinker). Der englischen
Oberschicht war es vorbehalten, einfarbige Pferde zu züchten, deshalb sind die
Tinker-Pferde gut an ihren verschieden großen Fellflecken zu erkennen. Aber egal
welche Farbe – das Pferd läuft! Und zwar rechts auf der Fahrt nach Westend bzw.
links auf der Rückfahrt neben dem Wagen auf einem sandigen Weg, wobei es durch
ein spezielles Geschirr mit dem Wagen verbunden ist.
Foto (Jürgen Hecht): Es soll auch Leute geben, die
Dampfloks streicheln, bei einer Pferdeeisenbahn bekommt das
„Traktionsmittel“
wahrscheinlich aber deutlich mehr Streicheleinheiten.
In Fahrtrichtung ist eine ca. 4 Meter lange Stange am Wagen angebracht,
an der das Zuggeschirr für das Pferd befestigt wird. Aufgrund des
vergleichsweise geringen Gesamtgewichtes der „Zugeinheit“ wird die Last vom
Pferd mühelos bewältigt. Und schaut man über das Pferd hinaus, findet man
interessante Zeitzeugen der Geschichte. Nach etwa einem Drittel der Strecke
befindet sich links in Richtung Westend die „Franzosenschanze“, diese Hügel
waren während der napoleonischen Kontinentalsperre (Frankreich versuchte den
Handel mit England zu unterbinden) mit Kanonen bestückt. Rechts nach der Hälfte
der Strecke wird das heutige Gästehaus Klasing sichtbar. Vom Leipziger Verleger
Otto Klasing 1909 erbaut, ist die wie ein Kamin aussehende Aussichtsplattform
markant, auf der auch den ehemaligen Bundes-präsidenten Richard von Weizäcker
die schöne Aussicht über die Insel und die See beeindruckt haben soll.
Vielleicht hatte er dort aufgrund der guten Aussicht manche Einsicht.
Auf
beiden Seiten der Strecke befinden sich Pferdeweiden und auch die zugehörigen
Stallungen. Beim Besuch der Pferdebahn ist wegen der beschränkten Plätze eine
Reservierung sinnvoll, denn in der Saison ist Hochbetrieb und viele Reisegruppen
und Urlauber wollen diesen Fahrspaß genießen. Wir hatten Glück und wurden für
unser starkes Interesse an der Bahn mit zwei Stehplätzen belohnt – so konnten
wir in die Zeitgeschichte der Bahn und der Insel eintauchen und bei bestem
Wetter viele schöne Eindrücke in uns aufnehmen. Die Fahrt selbst, als
Entdeckungsreise und Entschleunigung vom Alltag, ist auch preislich für nur 6
Euro (Hin- und Rückfahrt) unschlagbar. Also heißt es sicher auch bei einem
nächsten Besuch auf der Insel wieder: Volle Pferdestärke voraus!
Foto (Jürgen Hecht): Bei einem Besuch der
Nordsee-Insel Spiekeroog sollte eine Fahrt mit der
Pferdebahn nicht fehlen in
geruhsamen Tempo sieht und erfährt man viel von der Insel.